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Sonderpostwertzeichen „400 Jahre Rechenmaschine Wilhelm Schickard“
Im September des Jahres 1623 hatte Wilhelm Schickard, Professor für Hebräisch und Astronomie im beschaulichen Tübingen, seinem Freund, dem berühmten Mathematiker und Astronomen Johannes Kepler, brieflich eine aufregende Mitteilung zu machen: „Ich habe eine Maschine konstruiert, bestehend aus elf ganzen und sechs verstümmelten Zahnrädern, welche gegebene Zahlen sofort automatisch verrechnet, addiert, subtrahiert, multipliziert und dividiert.“ Er fügte noch hinzu, dass Kepler sicherlich, wenn er vor Ort wäre und die Maschine bei der Arbeit sähe, vor Begeisterung laut lachen würde.
Ein knappes halbes Jahr später schickte er Kepler in einem weiteren Brief eine Skizze der Maschine mit näheren Erklärungen der Funktionsweise und bemerkte dazu, er habe bei seinem Mechaniker ein zweites Exemplar der Maschine in Auftrag gegeben, um es Kepler zu schicken. Leider sei dies aber bei einem nächtlichen Brand in der Werkstatt vernichtet worden und es sei nun – mitten im Dreißigjährigen Krieg – schwer, dafür Ersatz zu besorgen.
Schickard starb 1635 in Tübingen an der Pest; was aus seiner Maschine wurde, ist nicht bekannt. Man darf aber vermuten, dass sie einfach weggeworfen wurde, da niemand etwas damit anzufangen wusste. Zum Glück für uns sind seine Briefe an Kepler erhalten geblieben, da dieser unter anderem durch seine Planetengesetze ein sehr bedeutsamer Wissenschaftler geworden war.
Auch hat sich das kleine Notizbuch Schickards erhalten, in dem sich eine erste Skizze der Maschine mit einigen Erklärungen findet.
Dass es im Zwanzigsten Jahrhundert gelang, den Entwurf der Maschine zu rekonstruieren und moderne Nachbauten anzufertigen, ist fast eine Kriminalgeschichte. Mehrfach wurden, beginnend im 18. Jahrhundert, Hinweise auf die Maschine entdeckt, sogar publiziert und dann doch wieder vergessen. So hielt sich bis in die Neuzeit die Ansicht, der Erfinder der ersten Rechenmaschine sei Blaise Pascal in Frankreich gewesen. Ihm zu Ehren wurde sogar eine Programmiersprache benannt.
Es war ein Tübinger Philosophieprofessor, Bruno Baron von Freytag-Löringhoff, der in den 1950er Jahren die überlieferten Dokumente zusammentrug und anhand ihrer die Maschine von Schickard rekonstruierte. So dürfen wir im September 2023 das 400-jährige Jubiläum der ersten funktionsfähigen 4-Spezies-Rechenmaschine begehen.
Gestaltung des Postwertzeichens und der Ersttagsstempel: Luzia Hein, Hamburg
Text: Professor Dr. Herbert Klaeren, Universität Tübingen, Informatik